Wie Coach It-Marke einer neuen Generation wurde

Was macht eine Marke zur Kultmarke? Ist es die Geschichte, das Handwerk, die Prominenz der Träger:innen – oder schlicht der richtige Moment? Der Taschenhersteller Coach, lange als traditionsbewusste, aber angestaubte US-Marke wahrgenommen, erlebt seit einigen Jahren ein bemerkenswertes Comeback.

Insbesondere die Tabby Bag – ein moderner Klassiker mit Retro-Charme – hat Coach von der Outlet-Ecke zurück auf die Wunschlisten junger Konsumentinnen katapultiert. Doch hinter dem augenscheinlichen Hype steckt mehr: ein kluger Umbau des Markenimages, ein neuer kreativer Kurs, ein feines Gespür für digitale Märkte – und eine Sehnsucht nach greifbarem, bezahlbarem Luxus in Zeiten des Überflusses.

Von Manhattan in die Welt: Die Ursprünge von Coach

Coach wurde 1941 in einem Loft in Manhattan gegründet. Anfangs war das Unternehmen eine kleine Ledermanufaktur mit einem Fokus auf schlichtem, funktionalem Design. Das Besondere: Das Leder war weicher, geschmeidiger, robuster als das vieler Konkurrenten – inspiriert von der Struktur alter Baseballhandschuhe.

Diese Mischung aus Qualität und Bodenständigkeit prägte das Image der Marke über Jahrzehnte hinweg. Coach verstand sich früh als amerikanische Antwort auf europäischen Luxus – mit einem betont praktischen, urbanen Selbstverständnis.

In den folgenden Jahrzehnten baute die Marke ihr Sortiment und ihren Ruf aus. In den 1970er- und 1980er-Jahren entstanden Modelle, die heute als Vintage-Klassiker gelten: die Duffle Bag, die Saddle oder die Legacy-Linie. Coach war keine Marke, die laut schrie – sie stand für Understatement, für Langlebigkeit, für den „Quiet Luxury“, lange bevor dieser Begriff zum Buzzword wurde.

Krise und Überkommerzialisierung

Doch der Erfolg hatte seinen Preis. Ab den 1990er-Jahren setzte Coach auf aggressive Expansion. Vor allem in den USA war die Marke bald in nahezu jedem Outlet vertreten. Der Preis wurde wichtiger als das Produkt, das Monogramm wichtiger als das Material. Coach wurde zur „Muttermarke“, zum Geschenk für den Geburtstag der Tante – zuverlässig, aber nicht mehr begehrenswert.

Im Luxussegment verlor Coach zunehmend an Relevanz, während neue Konkurrenten wie Michael Kors oder später Tory Burch auf den Markt drängten.

Doch dann kam es ganz anders und ab 2013 wurde eine neue Strategie gefahren …

Der kreative Umschwung

Erst mit der Berufung von Stuart Vevers als Creative Director im Jahr 2013 begann ein radikaler Kurswechsel. Vevers, bekannt für seine Arbeit bei Mulberry und Loewe, brachte nicht nur frischen Wind ins Design, sondern auch ein tieferes Verständnis für Storytelling und Popkultur. Unter seiner Führung wurden Archive durchforstet, klassische Modelle überarbeitet, das Logo zurückgenommen. Statt Masse wurde wieder Charakter betont. Die Taschen waren nun kantiger, mutiger – und trugen eine deutlich jüngere Handschrift.

Die Coach-Strategie

  • Nostalgie + Reinterpretation: Werke wie Tabby fügen sich nahtlos zu Vintage?Funden. Viele Kund:innen kombinieren alte und neue Modelle – ein Gefühl von Authentizität verbunden mit dem Neu?Kauf.
  • Influencer-Push & CelebrityStrategie: Sichtbarkeit durch Bella Hadid, Jennifer Lopez, Hadid etc. verstärkt das Markenbild als modern und begehrenswert. Marie Claire spricht von der „It?Bag Factory 2025“
  • Daten-gesteuerte Produktentwicklung: Coach’ „triangle offense“ aus Design, Storytelling und Datenanalyse – inkl. Shop­along-Forschung – sorgt für Produkte, die echten Wunsch signalisieren – die Gen Z wurde zum „Leitstern“ wie es Vogue formulierte.
  • Sustainability-Narrative: Die Sub-Marke Coachtopia und die Betonung langlebiger Produkte entsprechen den Erwartungen junger Käuferschichten
Coach Taschen

Die Wiedergeburt: Die Tabby Bag und der neue Kult

Die Tabby Bag, 2019 eingeführt, wurde schnell zum Symbol dieses Umbruchs. Mit ihrer geschwungenen Form, dem ikonischen „C“-Verschluss und einer Mischung aus Retro und Moderne sprach sie eine Zielgruppe an, die Coach zuvor kaum erreicht hatte: Millennials und Gen Z. Die Tasche war kompakt, verspielt, vielseitig – und vor allem instagramtauglich. Zahlreiche Influencerinnen, Celebrities und Modelabels integrierten sie in ihre Outfits, was ihre Sichtbarkeit exponentiell steigerte.

Besonders erfolgreich war die Entscheidung, die Tabby in verschiedenen Ausführungen und Preislagen anzubieten – von klassischem Glattleder bis zur ultraweichen „Pillow“-Version, die fast wie ein Designobjekt wirkt. Coach verstand es, die Tasche nicht nur als Produkt, sondern als Projektionsfläche für Identität zu inszenieren: Die Tabby wurde nicht einfach getragen, sie wurde erzählt – in Kampagnen, in TikToks, in Vintage-Foren.

Warum Coach jetzt wieder begehrt ist

Die neue Beliebtheit von Coach ist kein Zufall. Sie ist das Ergebnis eines langfristig angelegten Strategiewechsels. Die Marke hat sich neu positioniert – zwischen bezahlbarem Luxus und Individualität, zwischen Traditionsbewusstsein und jugendlicher Frische. Statt auf Statussymbole setzt Coach heute auf Emotionalität, auf Wiedererkennbarkeit ohne Aufdringlichkeit. Das Label ist zum Ausdruck eines modischen Selbstverständnisses geworden, das sich vom überzogenen Logospektakel bewusst distanziert.

Nicht zuletzt profitiert Coach von einem gesellschaftlichen Wandel: Viele Konsumentinnen sind zunehmend bereit, in hochwertige, aber nicht überteuerte Produkte zu investieren. Der Wunsch nach Nachhaltigkeit, nach langlebigen Designs, nach „Quiet Statements“ hat sich verstärkt – vor allem in einer Generation, die zwar Luxus schätzt, aber keine Lust auf plakative Marken hat.

Wie Coach mit Cafés neue Markenerlebnisse schafft

Ein Store ist längst mehr als nur Verkaufsfläche – er ist Bühne, Treffpunkt, Social-Media-Kulisse. Genau dieses Prinzip verfolgt Coach mit seinen neuen Konzepten, in denen Gastronomie und Shopping verschmelzen. Unter dem Label Coach Play eröffnete die Marke 2024 erste hybride Erlebnisräume in Asien, darunter in Jakarta und Singapur.

Besonders der Shophouse-Store im historischen Keong Saik District in Singapur zieht Aufmerksamkeit auf sich: Hinter der pastellfarbenen Fassade verbirgt sich nicht nur ein Verkaufsraum für Taschen und Accessoires, sondern auch das weltweit erste Coach Café. Im Erdgeschoss werden hier amerikanisch inspirierte Gerichte wie Chicken & Waffles, Cheeseburger und bunte Signature-Drinks serviert – in einem Ambiente, das an New Yorker Coffee Shops erinnert, mit industriellen Möbeln, grafischen Wänden und gezielten Vintage-Akzenten.

Doch hinter der spielerischen Kulisse steckt eine strategisch klare Absicht: Coach will Aufenthaltsdauer erhöhen, neue Zielgruppen erreichen und über das reine Produkt hinaus Markenbindung erzeugen. Die Café-Flächen funktionieren dabei nicht nur als atmosphärisches Beiwerk, sondern als eigenständige Umsatzquellen – kommerziell tragfähig und gleichzeitig imagebildend. Besonders die Gen Z, eine Zielgruppe, die physisches Shopping oft mit sozialem Erlebnis verknüpft, wird so gezielt angesprochen.

Die Cafés dienen als sogenannte „Third Places“ – halb öffentlich, halb privat – und bieten Raum zum Verweilen, Fotografieren und Teilen. Nebenbei entsteht ein emotionales Umfeld, das Käufe subtil unterstützt, aber nicht erzwingt.

Ein weiterer Vorteil: Während potenzielle Käufer:innen durch den Store schlendern, können Begleitpersonen im Café entspannen – eine Win-Win-Situation, die über klassische Retail-Logik hinausgeht. Die verschiedenen Zonen des Stores – von der Vintage-Etage über einen Customization-Bereich bis hin zu immersiven Installationen – vervollständigen das Konzept eines ganzheitlichen Markenerlebnisses.

Damit ist Coach beispielsweise ganz in der Tradition von Dior Cafés oder Louis Vuitton sowie – weniger im Luxusfach angesiedelt – ARKET, das auch sein eigenes ARKET Café hier in Wien hat.

Coach und Secondhand? Es boomt

Parallel zur Rückkehr der Marke im Neumarkt wächst der Secondhand-Markt für Coach-Taschen spürbar. Vor allem Modelle aus den 1990er- und frühen 2000er-Jahren erleben ein Revival. Vintage-Stücke mit patiniertem Leder und klassischem Schnitt gelten als stilvoll und authentisch – und erzielen auf Plattformen wie Vestiaire Collective oder eBay beachtliche Preise. Coach ist damit eine der wenigen Marken, bei der sowohl neue Kollektionen als auch Secondhand-Modelle gleichzeitig im Trend liegen – ein seltenes Phänomen im Luxussegment.

Dieser Boom ist nicht nur ästhetisch motiviert, sondern auch wirtschaftlich: Viele Käuferinnen nutzen Vintage als Einstiegspunkt zur Marke. Gleichzeitig erkennen viele Händler in gut erhaltenen Coach-Stücken eine Wertanlage, vergleichbar mit etablierten Luxuslabels.

Deutschland und Österreich: Zwischen Geheimtipp und Trend

Im deutschsprachigen Raum war Coach lange eher ein Geheimtipp. Die Marke war präsent – vor allem über Outlets und den Onlinehandel – aber nie so dominant wie andere US-Marken. Das ändert sich zunehmend. Die neue Designsprache und die gezielte Ansprache jüngerer Zielgruppen führen auch in Deutschland und Österreich zu einer wachsenden Nachfrage. Besonders online, über Social Media und Modeplattformen, werden Modelle wie die Tabby, die neue Brooklyn Bag oder die Empire Carryall sichtbar und begehrt.

Interessanterweise ist die Wahrnehmung von Coach hierzulande weniger belastet vom alten „Outlet-Image“ als in den USA – was den Neustart erleichtert. Viele Kund:innen entdecken die Marke erstmals bewusst – nicht als Schnäppchen, sondern als stilvolle Alternative zu etablierten Luxusmarken.

2025: Was kommt nach der Tabby?

Der Hype um Coach reißt auch 2025 nicht ab. Neue Modelle wie die Brooklyn Bag – ein minimalistischer Hobo-Stil mit Vintage-Details – oder die Empire Carryall setzen den Kurs fort. Auch experimentellere Designs, etwa aus recycelten Materialien oder mit verspielten Verschlüssen, treffen den Zeitgeist. Die Marke wagt sich zunehmend an komplexere Silhouetten, ohne den Bezug zum Alltagsgebrauch zu verlieren.

Besonders hervorzuheben ist der Versuch, die Taschen als emotionale Begleiter zu inszenieren. Kampagnen setzen auf Diversität, auf Nahbarkeit, auf Geschichten statt Glamour. Coach bleibt damit nah an seiner eigenen Geschichte – und doch immer ein wenig voraus.

Ein neues Kapitel – mit altem Kern

Was Coach in der Gegenwart gelingt, ist selten: Der Spagat zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Massenmarkt und Individualität. Die Marke hat ihre Wurzeln nicht verleugnet, aber sich von alten Schwächen befreit. Sie steht heute für einen Luxus, der sich nicht über Exklusivität definiert, sondern über Haltung. Vielleicht ist genau das der Grund, warum eine Tasche wie die Tabby mehr ist als ein Accessoire – sondern ein Statement. Leise, aber deutlich.

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