„Ecoalf“-Gründer Javier Goyeneche: Was es bedeutet Mode für den Planeten zu machen

Es war die Geburt seiner beiden Söhne, die Javier Goyeneche zum Umdenken brachte. Als die Welt 2009 in der Hochphase des „Fast Fashion“-Rauschs steckte, fragte sich der Spanier: Wie kann man Mode machen, ohne die Erde weiter auszubeuten?
Aus dieser Frage entstand Ecoalf – ein Unternehmen, das nicht weniger als eine Revolution im Kleiderschrank anstrebt. Recycelte Stoffe statt neuer Ressourcen, Transparenz statt Greenwashing, Verantwortung statt Konsumrausch. Heute gilt Ecoalf als eines der führenden Labels für nachhaltige Mode – und als Beweis dafür, dass Design und Ethik sich nicht ausschließen. Und Javier Goyeneche ist damit zu einem der wichtigsten Stimmen für eine Wende in der Modeindustrie geworden.
Mit Projekten wie Upcycling the Oceans hat ECOALF in den letzten Jahren bereits über 1.700 Tonnen Müll aus dem Mittelmeer geborgen und in hochwertige Mode verwandelt. EntreNous hat mit dem innovativen Gründer über seine Visionen für einen grüne(re)n Planeten gesprochen.

Was war der Auslöser, der Sie dazu brachte, Ecoalf zu gründen?
Ecoalf wurde 2009 gegründet. Der Name und das Konzept der Marke entstanden nach der Geburt meiner beiden Söhne, Alfredo und Álvaro. Ich wollte eine wirklich nachhaltige Modemarke schaffen – und glaubte, dass das Nachhaltigste wäre, aufzuhören, die natürlichen Ressourcen unseres Planeten gedankenlos zu verbrauchen, um die der nächsten Generation zu bewahren. Seitdem ist es unsere Mission, eine neue Generation recycelter Produkte zu entwickeln – mit derselben Qualität und demselben Design wie die besten nicht recycelten Produkte.

Foto: ECOALF/M.Chuop
Wie hat sich Ihre ursprüngliche Idee entwickelt, seit Ecoalf gewachsen ist?
In den letzten 15 Jahren haben wir über 600 innovative Materialien entwickelt, mehr als 54 Milliarden Liter Wasser eingespart und die CO?-Emissionen um über 21.700 Tonnen reduziert. Doch unser Ziel war nie nur, den negativen Einfluss zu verringern – wir wollten einen positiven schaffen: durch Regeneration. Mit unserer ersten Kollektion aus regenerativer Baumwolle haben wir uns mit Materra® zusammengetan, um klimaresistente, transparente und faire Baumwolle anzubauen. Allein in diesem Jahr haben wir 2.100 Kilogramm regenerative Baumwolle verwendet und damit 51.100 Quadratmeter Land wiederhergestellt. Und das ist erst der Anfang – wir wollen den Einsatz regenerativer Materialien weiter ausbauen, um die Erde Stück für Stück zu heilen.
Monomaterialität ist wichtig – denn sobald man Wolle mit Elastan oder Acryl mischt, ist Recycling kaum mehr möglich.
Javier Goyeneche
Sie betonen: „Wahre Nachhaltigkeit bedeutet auch Bildung – Marken müssen nicht nur nachhaltige Mode verkaufen, sondern erklären, warum sie das tun.“ Wie setzen Sie diesen Bildungsauftrag im Alltag von Ecoalf um?
Bildung zieht sich durch alles, was wir tun. Jedes Kleidungsstück enthält QR-Codes, die Transparenz und Rückverfolgbarkeit bieten – sie zeigen, wie viel Wasser gespart und wie viel CO? reduziert wurde. In all unserer Kommunikation erklären wir nicht nur, was wir tun, sondern auch, warum. Ein Beispiel: Unsere Kollektion aus 100 % recycelter, vollständig wiederverwertbarer Wolle verdeutlicht, warum Monomaterialität so wichtig ist – denn sobald man Wolle mit Elastan oder Acryl mischt, ist Recycling kaum mehr möglich. Das sensibilisiert Konsumenten dafür, beim Einkauf auf Etiketten zu achten – egal bei welcher Marke. Darüber hinaus halten wir jedes Jahr über 150 Vorträge an Universitäten, um jungen Menschen zu vermitteln, wie groß der Einfluss ihrer täglichen Entscheidungen wirklich ist.

Sie sagten: „Jede Entscheidung, die gut für den Planeten ist, ist letztlich auch gut für das Unternehmen.“ Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem sich dieses Prinzip für Ecoalf besonders ausgezahlt hat?
Ein klares Beispiel ist unsere Entscheidung, nicht am Black Friday teilzunehmen. Für die meisten Modemarken ist das einer der profitabelsten Tage des Jahres – doch für uns widerspricht er allem, wofür wir stehen. In den ersten Jahren stießen wir auf starken Widerstand seitens der Kaufhäuser und der Partner, die auf diese Rabatte angewiesen waren. Doch mit der Zeit hat sich unsere Haltung durchgesetzt – und uns ein gesünderes Geschäftsmodell ermöglicht, das nicht auf Preisnachlässen basiert, sondern auf bewussten Kaufentscheidungen der Kunden.
Wenn wir weiterhin kurzlebigen Trends hinterherlaufen, werden sich auch die großen Player nicht ändern.
Javier Goyeneche
Welche Rolle soll Ecoalf Ihrer Meinung nach in der Zukunft von Mode und Nachhaltigkeit spielen?
Wir wollen die Großen der Branche inspirieren. Wir haben gezeigt, dass sich Innovation, Design und Nachhaltigkeit durchaus miteinander vereinbaren lassen – und hoffen, dass unser Beispiel andere dazu bewegt, ihre Geschäftsmodelle zu verändern. Echte Veränderung wird nur dann passieren, wenn die Marktführer bereit sind, diese Praktiken im großen Maßstab umzusetzen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der nachhaltigen Mode – und wohin entwickelt sich die Branche bis 2030?
Die größte Herausforderung liegt im Geschäftsmodell selbst – im ewigen Zyklus von Kaufen und Wegwerfen. Wir müssen zu zeitlosen, hochwertigen Kleidungsstücken übergehen, die länger getragen werden. Ebenso entscheidend ist die Rezyklierbarkeit: Es reicht nicht, recycelte Materialien zu verwenden – wir müssen auch so designen, dass Kleidungsstücke am Ende ihres Lebenszyklus wieder recycelt werden können. Sonst landen sie trotzdem auf der Deponie. Bis 2030 wünsche ich mir, dass Kreislaufwirtschaft zum Standard wird – und dass die Branche sich von Überproduktion hin zu verantwortungsvollem, langlebigem Design bewegt. Am Ende liegt es an uns Konsument:innen: Wenn wir weiterhin kurzlebigen Trends hinterherlaufen, werden sich auch die großen Player nicht ändern.
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