„The Louis“ von Louis Vuitton – Visionär oder Verschwendung?

In Shanghai eröffnet Louis Vuitton einen neuen Superlativ: The Louis, ein Monument der Luxusindustrie, das gleichzeitig Store, Café und Ausstellung beherbergt – eingebettet in die Form eines Schiffs.
Repräsentation, nicht Reflexion
Louis Vuitton beruft sich in The Louis auf seine Ursprünge im 19. Jahrhundert, als der junge Firmengründer Louis Vuitton Reisegepäck für die Elite Europas fertigte. Die Assoziation mit Fernweh, mit Entdeckung und Exklusivität liegt nahe – aber sie wird hier zur Monumentalisierung eines kolonialromantischen Reisebegriffs, der sich nicht vom Nachgeschmack des Grand Tour-Ethos europäischer Eliten lösen kann.

Die Marke wollte Geschichte und Innovation vereinen – herausgekommen ist ein Denkmal für die Megalomanie des Luxus.
Denn was bedeutet es, im 21. Jahrhundert ein Schiff zu bauen, das keine Funktion als Transportmittel erfüllt, sondern als Kulisse für Konsum und Ästhetisierung dient? Es ist ein Erbe, das tief mit westlichem Orientalismus verwoben ist. „Visionary“ wirkt da eher wie eine Chiffre für eine ästhetisierte Reinszenierung globaler Machtverhältnisse. Obwohl das bestimmt nicht von den Machern beabsichtigt ist.
Schweröl statt Schwerelosigkeit
Doch abseits der Symbolik steht die ökologische Frage im Raum: Was kostet The Louis – nicht in Renminbi Yuan, sondern in Tonnen CO2?
In Venedig hat man Kreuzfahrtschiffe mittlerweile verbannt – aus guten Gründen. Warum sollte dieser geschmacksbefreite „Fake-Luxus-Tanker“ in Shanghai nun als visionär gelten?
Wenn man bedenkt, dass ein durchschnittliches Kreuzfahrtschiff bis zu 250 Tonnen Schweröl pro Tag verbrennt, wird klar, wie hoch der Preis für maritimen Pomp sein kann. Auch wenn The Louis nicht als funktionierender Tanker betrieben wird, sondern nur symbolisch dafür steht, ist es fraglich, was an diesem Konstrukt nicht pure Ressourcenverschwendung ist.
In Venedig hat man Kreuzfahrtschiffe mittlerweile verbannt – aus guten Gründen. Visionär wäre es gewesen, ein Kunstwerk zu schaffen, das als Energieinsel dient, das Wasser reinigt, das lokale ökologische und kulturelle Anliegen integriert und innovative Materialien herstellt. Aber The Louis bleibt ein westlich-kuratiertes Denkmal, das sich über die Umwelt erhebt – und sie dabei gleichzeitig ignoriert.
Starre Kulturreproduktion
Die Architektur von The Louis inszeniert eine Reise – aber wessen Reise ist das eigentlich? Wer darf sich hier gemeint fühlen? Wird Shanghai hier als historisches „Tor zum Osten“ geehrt – oder schlicht instrumentalisiert?

Die Verbindung von Reise, Luxus und westlicher Überlegenheit war schon immer das Grundgerüst kolonialer Fantasien. Dass man nun unter dem Vorwand des „Heritage“ eine glitzernde Konsumplattform im Stil eines Ozeandampfers aufbaut, wirkt wie eine schlecht verhüllte Wiederholung jener Narrative. Das Gepäck war einst Mittel zum Zweck. Heute ist es die Bühne für einen luxuriösen Stillstand.
Erbe oder Eitelkeit?
Louis Vuitton hätte die Chance gehabt, Reise als ein zeitgemäßes, nachhaltiges, grenzüberschreitendes Konzept neu zu denken. Stattdessen wurde ein schwerer Koloss gebaut, der mit seiner Beleuchtung eher einem Freizeitdampfer auf der Donau mit Fahrtrichtung Bratislava ähnelt, als einem luxuriösen Bauwerk.
Die Marke wollte Geschichte und Innovation vereinen – herausgekommen ist ein Denkmal für die Megalomanie des Luxus, die hier inszeniert wird.
„In thematischen Räumen werden Handwerkskunst, Mode, Duft, Literatur und Sport als zentrale Säulen der Markenidentität erlebbar gemacht. Highlights sind die monumentale Installation Trunkscape, historische Koffer, Klassiker wie Keepall und Alma, Duftflakons aus fast 100 Jahren sowie Einblicke in die Werkstattarbeit mit Live-Demonstrationen„, schreibt die Maison in ihrer Presseaussendung. Man kann sich also vorstellen, wie sehr bei diesem Mega-Projekt die Hoffnungen in den asiatischen Markt gesteckt werden, denn Europa ist definitiv over.
„Visionary Journeys“ hätte eine kritische, inklusive, progressive Reise sein können. Doch solange man Schiffe als Symbol des Fortschritts feiert, während sie – real oder metaphorisch – Schweröl in die Atmosphäre pusten, bleibt nur eine Frage offen: Wer steuert dieses Schiff – und wohin?
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