Das Delphos: Ein Kleid, das wir heute noch tragen

In der Modegeschichte gilt ‘das Delphos’ als eines der wichtigsten Kleidungsstücke der Moderne. Vor über einem Jahrhundert wurde es nach antiker Inspiration geschaffen und beeinflusst noch heute unsere Mode. Es ist die Antike, die ihren Weg wieder in unserer Gegenwart geschaffen hat.

Acht Bronzestatuen aus dem antiken Griechenland sind bis heute erhalten. Die berühmteste ist der Wagenlenker von Delphi, dessen Fund 1896 europaweit für einen Medienrummel sorgte und auch zwei Modeschöpfer in ihrem venezianischen Palazzo erreichte: das Ehepaar Henriette Negrin und Mariano Fortuny, das mit Experimentiergeist in ihrem Atelier die Mode für immer veränderte.

Das Delphos schaffte es als eines der wenigen Kleidungsstücke sogar in die Google Arts & Culture Section.

Das Delphos: Symbol einer Zeitenwende

Ein Kleid ohne Korsett und Reifrock wurde 1906 erstmals von Couturier Paul Poiret präsentiert. Allerdings konnten sich seine Kleider durch die fehlende Elastizität der damaligen Stoffe nicht den Kurven des Körpers anschmiegen, wie es erst die Faltentechnik des Atelier Fortuny möglich machte. Bis heute ist diese Innovation ein gut gehütetes Geheimnis.
Fest steht, dass durch Hitze und Druck die Falten mit Keramikstäben in die Seide eingepresst werden. Henriette Negrin entwickelte dazu eine simpel wirkende, aber umso raffiniertere Schnittarchitektur, die erst aus vier, später aus fünf Stoffstücken bestand.

Nach der Markteinführung 1909 wurde die Robe an modebegeisterten Frauen der kunstnahen High Society, wie der berüchtigten Kunstmäzenin Marchesa Casati, gesichtet, die es – Skandal! – öffentlich trug, obwohl es eigentlich für den Gebrauch in den eigenen vier Wänden gedacht war. Ein unglaublich glamouröses Hauskleid, das seinen Weg in die Öffentlichkeit bahnte und dort für immer bleiben sollte.

Die Moderne und das Delphos

Die Aura emanzipierter Frauen, die sich mit wenigen Handgriffen in minimalistische, nicht einegende Eleganz hüllen konnten, beeinflusste die Grande Dames der Couture, Madame Grés sowie die große Madeleine Vionnet, später auch Gabrielle Chanel. Plissierfalten in Verbindung mit simplen Cuts griff Issey Miyake in den 1990ern wieder auf. Daraus entwickelte er seine Pleats PleaseKollektionen, die als ikonisch in der Mode gelten. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied seiner Kreationen zu jenen des Delphos: Sie bestehen aus Polyester. Wie erwähnt, weiß bis dato nur das Atelier Fortuny, wie man der Seide Falten dauerhaft verpasst. Dieses Geheimnis des Erfinders haben seine Erben nie gelüftet.

Wer ein echtes Delphos besitzen möchte, hat in drei Flagshipstores des Atelier Fortuny bis heute die Möglichkeit dazu. Vintage-Stücke werden für hohe Summen bei Auktionen gehandelt. Eine Legende hat schließlich ihren Preis.

Unser Fazit:

Das Delphos ist das Kleidungsstück der modernen Frau, die sich aus den Zwängen des Korsetts befreite. Es war seiner Zeit ein Jahrzehnt bereits voraus, erahnte die stürmischen 1920er Jahre, wo Frauen erstmals Bein(e) zeigen durften. Darüber hinaus symbolisiert es auch den Aufbruch Mode durch Ingenieursleistungen und Innovation und dadurch unsere Kultur für immer zu verändern. Der Ripple-Effect der gesellschaftlichen Evolution startete immerhin sinnbildlich mit einer Falte. Und dann noch einer …


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