Die Kunst des Dating im 21. Jahrhundert

Situationships, Freundschaft +, Benching, Red Flag, Love Bombing … Heutzutage erscheint uns Dating komplizierter denn je, für jede Art der Beziehung gibt es eine neue Bezeichnung – so viele, dass man manchmal gar nicht mitkommt. Früher gab es anscheinend nur ja oder nein, doch warum machen wir es uns heutzutage so schwer? Oder was macht es uns so schwer, einfach in eine Beziehung zu kommen?

Soulmates – heutzutage wichtiger als früher

Früher ging es nicht darum, jemanden zu heiraten, weil man ihn liebte. Bei einer Heirat ging es um Sicherheit, für die Frauen ging es vor allem um finanzielle Sicherheit und Männer wollten primär eine „unberührte Frau“.

Die Ehe war eine zu wichtige wirtschaftliche und politische Institution, als dass man sie allein auf der Grundlage von etwas Irrationalem wie der Liebe eingehen konnte

Stephanie Coontz, Marriage, a History: How Love Conquered Marriage
(New York: Penguin,2006), 7.

Liebe war natürlich nicht ausgeschlossen, jedoch nicht primär im Fokus und wenn wir uns heutzutage anschauen, was für einen Berg an Anforderungen wir an einen potenziellen Partner haben, ist das ein großer Sprung. Doch wann hat dieser Wandel angefangen und warum?

Zwischen 1960 und 1970, hat sich durch den Wunsch der Unabhängigkeit der Frauen viel geändert. Es reicht nicht mehr, einfach den Nachbarsjungen zu heiraten, weil er da ist, nein, Frauen wollten mehr – Reisen, Lernen und Arbeiten. Ab dieser Zeit suchten wir Menschen nicht mehr nur nach der nächst besten Partie zum Heiraten, sodass wir abgesichert und nicht alleine sind, nein, von da an wollten wir mehr – einen Soulmate.

Für viele ist das Single-Leben heute nicht mehr so abschreckend wie früher, da es mit weniger Stigmatisierung einher geht. Viele schreckt aber auch die schnelle Dating-Welt ab.

Bereits in den 1980er Jahren gaben 86 Prozent der amerikanischen Männer und 91 Prozent der amerikanischen Frauen an, dass sie ohne romantische Liebe niemanden heiraten würden. Viele junge Menschen hatten auch nicht mehr das Bedürfnis mit Mitte 20 bereits verheiratet zu sein. Oft standen Ausbildung, Reisen, Selbstfindung oder einfach Vergnügen im Vordergrund.

Seelenverwandter – jemand, normalerweise ein Liebes- oder Sexualpartner, mit dem man eine besondere Beziehung hat und den man sehr gut kennt und liebt

Cambridge Dictionary

In das Wort Seelenverwandter interpretiert jede Person etwas anderes hinein, für manche ist es ausschlaggebend, dass die Person die gleichen Hobbys teilt, für andere ist es von Bedeutung zu wissen, dass der Partner sie im Dunkeln erkennen würde. Doch wie findet man so eine Person, der man alles anvertrauen kann, wo man denkt, sie ist die „bessere Hälfte“?

Online Dating – ein Pool an unendlichen Möglichkeiten

Die Möglichkeiten jemanden im 21. Jahrhundert kennenzulernen sind unendlich – und das bringt auch Probleme mit sich. Aber alles von Anfang an.

Dinge wie Entfernung, Sprache oder Kontaktmöglichkeiten halten uns heutzutage nicht mehr auf. Dank Online-Dating kann man die große Liebe kennenlernen. Und wenn sie am anderen Ende der Welt wohnen sollte, fliegt man einfach schnell hin und lernt am Flughafen mit Duolingo noch unkompliziert die Sprache – alle Probleme gelöst. Oder?

Aziz Ansari untersucht in seinem Buch Modern Romance den Wandel der Liebesleben und den Shift der Prioritäten. Auf das wichtige Thema Online-Dating, geht er auch ein und erzählt, dass es junge Menschen gibt, die süchtig nach Online-Dating sind. Die Optionen sind unendlich, was auch schnell das Gefühl der Überforderung herbeiführen kann. 

  • In dem Buch wird eine Frau beschrieben, die auf dem Weg zu einem Date weiterhin nach Matches suchte, für den Fall, dass ihr bestehendes Date scheiterte. Ständig auf der Suche nach was Besserem? Nie zufrieden? Nie lassen wir uns vollständig auf die Beziehung ein? Verdammt uns das Datingleben im 21. Jahrhundert wirklich dazu?
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© Statista Instagram

Laut Statista, ist auch in Österreich die Online-Dating Plattform Tinder ganz oben, dicht gefolgt von Badoo und ElitePartner, an 4. Stelle folgt Lovoo und darauf folgt Bumble.

Das Phänomen – die Situationship beim Dating

Dieses Phänomen ist heutzutage schon so weit verbreitet bzw. bekannt, dass es schon Songs darüber gibt. Jacob Elias besingt mit seiner Single ,,Situationship“ dieses Datingdilemma. Und auch er hinterfragt den Dating-Trend:

Wer sagt mir ob’s Liebe ist

Scheiße ich trau mich nicht

Gestört oder ist das normal

Such das Licht und seh‘ nur dich

Situationship

Scheiße ich liebe dich

Jacob Elias aus seinem Song Situationship

Laut dem Experten Christian Hemschemaier ist es ein gesellschaftlicher Trend sich nicht binden zu wollen. Auch er ist der Meinung, dass Online-Dating uns zu viele Möglichkeiten aufzeigt und wir uns dadurch nie festlegen wollen, da es ja jemand Besseres geben könnte.

Viele sind dann in einer Endlosschleife gefangen und finden schneller den Kick in einem neuen Match als in einer tiefergehenden Verbindung. 

Christian hemschemaier, Diplom-Psychologe und BeziehungsExperte

Der Diplom-Psychologe Hemschemaier definiert Situationship folgendermaßen : Eine „Situationship“ ist eine Mischung aus One-Night-Stand, Single-Sein und Beziehung. Es besteht eine Verbindung zwischen zwei Menschen, die sich mögen. Allerdings muss mindestens einer von beiden noch überlegen, ob er oder sie nicht noch etwas Besseres findet. Die Person sucht nach dem nächsten Kick und möchte sich nicht festlegen, da dies als Einschränkung empfunden wird. 

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Immer auf der Suche nach dem nächsten Swipe. Wer zu schnell unterwegs ist, kann sich auch gehörig selbst verlieren und den Begriff für „ernsthafte“ Beziehungen.

Doch diese Art der Beziehung hat auch schon erste ,,Nebenwirkungen“, denn erste Studien zeigen, dass Personen, die im Alter von 18 bis 30 Jahren in „Situationships“ waren, Schwierigkeiten haben in Langzeitbeziehungen zu sein. Die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Langzeitbeziehung nimmt mit jeder „Situationship“ ab.

Tipps und Tricks um das Dating zu meistern

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Kommunikation. Wenn man ganz einfach heraus anspricht, wie man jetzt zueinander steht und kommuniziert, was man will, dann kommt man gar nicht erst in die Zwickmühle namens „Situationship“.

Für die Online-Dating-Welt sollte man sich besser eine dicke Haut zulegen.

Natürlich gibt es da auch immer wieder die Gefahr, dass der:die Geliebte keine Beziehung eingehen möchte, aber auch da ist eine klare Zurückweisung bzw. eine klare Zusage besser als ein ungewisser Beziehungsstatus, der das Selbstvertrauen gehörig ins Wanken bringen kann!

Wichtig ist es natürlich auch, selber zu wissen, was genau man in einer Beziehung möchte. Viele junge Menschen sind zufrieden mit einer Situationship oder suchen sogar auf Tinder danach. Die jetzige Generation ist so mutig und selbstsicher wie eh und je.

Ob man jetzt eine Langzeitbeziehung möchte, die auf Heirat zusteuert, mit dem Swipen gar nicht mehr hinterherkommt oder seine 20er solo verbringt – Hauptsache man pflegt die Beziehung zu sich selber.

“Love yourself first and everything else falls into line.”

Lucille Ball
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