THE ROW hatte einen Sample Sale und das Internet einen Meltdown

Von außen sieht es aus wie ein Pilgerort für Menschen, die an Beige glauben. Vor einem unscheinbaren Gebäude in SoHo stehen Hunderte in Mänteln, die aussehen, als würden sie sich weigern, laut zu sein. Manche haben Klappstühle mitgebracht, andere Thermoskannen. Einige haben, wie Business Insider berichtet, „professionelle Warteschlangensteher engagiert – für 25 Dollar pro Stunde (!), um sich den besten Platz im stillsten Event des Jahres zu sichern“.

Es ist wieder ein Sample Sale bei The Row.

Vom 22. bis 25. Oktober öffnete das Label der Olsen-Zwillinge seine Türen – für vier Tage, an denen die Regeln des „Quiet Luxury“ für ein paar Stunden aufgehoben schienen. Bis zu 75 Prozent Rabatt, berichtete The Business of Fashion, und eine Stimmung, die eher an ein Tech-Launch-Event erinnerte als an eine Modemarke, die sonst mit flüsternder Diskretion operiert.

Eine der vielen YouTube-Kommentator:innen zum Shopping-Event des Jahres in New York.

Was ist Luxus? Und ist THE ROW Luxus nur, weil es teuer ist?

„Es war das am wenigsten Leise, was The Row je getan hat“, schrieb die Journalistin Amy Odell in ihrem Newsletter. Die Menschenmenge, die Posts, die unzähligen TikToks mit dem Hashtag #TheRowSampleSale – all das stand in einem fast absurden Gegensatz zum Bild, das die Marke so sorgfältig pflegt: Kaschmir, das nicht gesehen werden will.

The Row steht für eine Form von Luxus, die keine Logos kennt. Für eine Ästhetik, die fast schon asketisch ist. Wenn man die Olsen-Schwestern beschreibt, wie sie durch New York laufen, in übergroßen Mänteln und ohne sichtbare Eile, klingt es eher nach Schweigekloster als nach Fashion Week. Und genau dieses Schweigen machte die Marke so laut.

Doch was passiert, wenn Stille auf Begehrlichkeit trifft? Wenn eine Marke, die auf Unsichtbarkeit setzt, zum Event wird?

Das neue Geräusch des Stillen

„Leute campierten über Nacht, als wäre es ein Konzertticketverkauf“, schrieb Girl on the UES, ein Blog, der sich auf New Yorker Sample Sales spezialisiert hat. Manche Besucher filmten sich dabei, wie sie Taschen voller minimalistischer Pullover aus dem Laden trugen, andere zeigten stolz ihre Warteschlangen-Outfits: The Row-Lederjacke über The Row-Hose, natürlich.

Was als stiller Ausverkauf begann, wurde zu einer Art Mode-Performance. In der Reihe der Wartenden ging es weniger um die Frage, ob man etwas ergattert, als darum, dass man dabei war.

Das Paradox des Understatements

Die Szene zeigt ein Paradox, das in der Mode schon länger gärte: „Quiet Luxury“ – ein Begriff, der eigentlich den Rückzug vom Konsumgeschrei meinte – ist selbst zu einem Statussymbol geworden. Wer sich Stille leisten kann, demonstriert sie laut.

Ein Modeanalyst, den Business of Fashion zitierte, nannte es „eine ironische Überdosis Bescheidenheit“. Denn während Luxusmarken sich um „Diskretion“ bemühen, wollen ihre Kundinnen trotzdem gesehen werden – zumindest auf Social Media.

Und natürlich gibt es neben den Haul-Videos auch jene, die Styling-Tipps zum The-Row-Look geben und so im Rahmen der Aufmerksamkeitsökonomie mitziehen.

Ein Insider-Sale für die Massen, die Insider sein wollen

Am Ende ist dieser Sample Sale weniger eine Geschichte über Rabatte als über den Zustand der Mode selbst. Eine Szene, in der sich der Wunsch nach Authentizität, Ruhe und Beständigkeit plötzlich im Rhythmus von TikTok dreht.

Die Menschen, die in SoHo stundenlang anstanden, warteten nicht nur auf einen Kaschmirmantel. Sie warteten auf ein Stück Identität – ein Beweis dafür, dass man zu den Leisen dazugehört. Wie lächerlich diese Identitätssuche dann ist, wenn sie nicht im Stealth-Wealth-Modus abläuft, sondern vor aller Welt auf TikTok und Instagram ausgetragen wird, ist eine andere Sache.

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