Sakralbau und Upcycling – Avantgarde à la Margiela

Die neue Artisanal-Kollektion von Maison Margiela, präsentiert am 9. Juli 2025 unter der Leitung von Glenn Martens, entfaltet sich als poetisches Geflecht aus mittelalterlicher Flandern- und Niederland-Symbolik, rohmaterialer Experimentierfreude und schwarz-weißer minimalistischem Design.


Martens führt die architektonischen Formen weiter: Bildhauerkontraste, gotische Heiligenfiguren-Fassaden und neue Funktionen unspektakulärer Materialien – Futterstoffe, Vintage-Leder, Plastik, Papier, Metall – formen nicht nur Kleidungsstücke, sondern auch Masken, die das Gesicht verhüllen. Diese Verschleierung verweist auf den berühmten Margiela-Kodex der Anonymität, lenkt den Blick weg vom Modestern und hin auf das handwerklich-experimentelle Schaffen.
Masken mit Metall, Kristall und Spitze fungierten dabei als dramaturgische Objekte – sie stahlen die Show und zugleich rahmen sie das Bekleidete ein. Damit knüpft Martens an die traditionell konzeptuelle Sprache des Hauses an, unterstreicht aber auch den Wandel hin zu einer neuen Generation, die Geschichte dekonstruiert, neu aufnimmt und in die Zukunft leitet.
Es entstehen Fragen, wie „Was ist Identität in Zeiten von AI und Filter-Wahn?“, „Wie können wir uns vor biometrischen Datenerfassungen im öffentlichen Raum schützen?“.
Der Luxus des angehenden 21. Jahrhunderts scheint jetzt schon das Verschwinden und das Leben in kompletter Anonymität zu sein, wie es jetzt bereits den Superreichen (so sie es wollen) gewährt wird. Stichwort: Familie Albrecht (Gründer von Aldi) oder Reimann. Die Maison Margiela ist natürlich nicht das erste Modehaus, das sich damit beschäftigt, doch die Umsetzung in einer Couture-Kollektion mit dem Verstecken der Gesichter der Models ist neu. Schließlich geht es darum die ultra-rich Klientel nicht zu verschrecken. Doch Margiela kann es sich leisten.

In Martens’ Inszenierung, die sechs Räume in einem Pariser Untergeschoss durchstreifte, spiegeln Collagen aus Papier den Kontrast von Vergänglichkeit und Perfektion wider: roh, verwischt, doch kunstvoll arrangiert.
Musikalisch untermauert wird die Kollektion von Billy Corgans „Disarm“, das als Soundtrack fungiert – ein Moment, der die Verbindung des Hauses zwischen High-Art und Subkultur verdeutlicht.
Glenn Martens: Wer ist der Kopf hinter dieser künstlerischen Neuorientierung von Martin Margiela?
Glenn Martens, gebürtig aus dem belgischen Brügge (geboren 29. April 1983), absolvierte die Königliche Akademie der Schönen Künste in Antwerpen, wie einst Martin Margiela. Eine Schule, die mittlerweile mit der Central St. Martins in der Produktion von neuen Modetalenten eben auf ist.
Seine Karriere führte ihn über Jean?Paul?Gaultier (2008–2012), eigene Kollektion (2012–13) und Y/Project (2013–2024), wo er mit dekonstruktivem Ansatz Erfolge feierte und die Andam-Preisen 2017/18 erhielt. Seit 2020 leitete er außerdem Diesel – und kombiniert Mut zur Oszillation von Streetwear und Couture.
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