Nachhaltige Mode trifft deutsch-ghanaisches Handwerk

Der Begriff Nachhaltigkeit hat auch in der Modewelt seine Spuren hinterlassen und neue Ästhetiken geprägt – schon früher, als man vielleicht denkt.

So waren wiederverwendbare Einkaufstaschen aus typischem Canvasstoff oder strapazierfähigem Netzmaterial in den Ländern des ehemaligen sozialistischen Blocks die einzigen alltäglichen Accessoires. Besonders in der Sowjetunion nähten Hausfrauen häufig Taschen aus großen Stoffresten, die man eigentlich weggeworfen hätte. Aufgrund des herrschenden Warenmangels fanden sie so eine neue Verwendung im Haushalt.

Bis heute sind solche Taschen in den Ländern der ehemaligen UdSSR beliebt und gelten als Teil des stereotypischen Alltagsbildes ihrer Bewohner:innen – und die Netztaschen wurden zwischenzeitlich sogar zu einem echten Modetrend.

Heute jedoch ist Mode nachhaltig nicht aufgrund von Mangel, sondern im Gegenteil – aufgrund von Überfluss und dessen Folgen für das Klima, den Konsum und die Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion, vor allem in den sogenannten „Fabrikländern“.

Doch ist es überhaupt jemandem gelungen, Kleidung vollständig zu recyceln und die Produktion auf Basis gegenseitigen Respekts, fairem Miteinander und menschlichen Werten aufzubauen?

In diesem Artikel von EntreNous aus Press Factory in Berlin stellen wir drei auf ihre Weise einzigartige Marken von drei deutschen Designerinnen und Unternehmerinnen vor. Sie unterscheiden sich in Stil, Herkunft, Alter und Arbeitsfeld – doch sie alle eint ein gemeinsames Ziel: authentisch nachhaltige, handwerklich gefertigte Mode und Schmuckstücke zu schaffen und, im letzten Fall, sogar eine Brücke zwischen Menschen in Deutschland und Ghana zu schlagen.

Erzähl gern, wer du bist und wie du arbeitest.

Ich bin Slow-Fashion-Designerin aus Berlin. Ich komme aus Hessen und lebe seit sieben Jahren in Berlin; davon widmete ich drei Jahre fürs Studium. Ich habe Modedesign an der Macromedia Hochschule in Berlin studiert und abgeschlossen.

Ich arbeite handwerklich mit traditionellen Techniken wie Sticken, Häkeln und Upcycling, ausschließlich mit natürlichen Materialien. Das heißt, viele Pieces dauern manchmal 100 bis 450 Stunden, was aber gar nicht so mühsam ist.

Mir geht es stark um den Prozess, nicht nur ums Endprodukt.

marie-louise müller

Was steckt hinter den Motiven dieser drei Kleider?

Sie gehören zur Kollektion „Table Tales“. Sie kreist um Dinge, die auf dem Tisch zu Hause stehen: Sardinen, Muscheln, Lobster, Besteck. Ich habe eine Auswahl aus mehreren Kollektionen mitgebracht, da mein Label noch jung ist.

marie-louise müller

Deshalb trägst du heute den Löffel? Ich erkenne im blauen Kleid das Meer und die Fischerei.

Genau. Es geht um Tischelemente wie Muscheln und Sardinen. Die Muscheln habe ich sechs Jahre lang gesammelt (von Freunden und Familie), gereinigt und weiterverarbeitet, statt sie als Abfall zu betrachten.

Wie aufwendig war das?

Mehr Arbeit als komplex: reinigen, lackieren, bohren, dann so befestigen, dass sie halten und zugleich beweglich bleiben. Das Kleid wiegt ca. 14 kg. Nichts ist geklebt; alles hängt an Metallringen, oben fixiert, unten organisch beweglich.

Und dieses Werk – wem ist es gewidmet?

Meiner Uroma. Sie war talentiert im Häkeln und Sticken. Mit meiner Großmutter habe ich aus ihren Tischdeckenmustern eine Blume entwickelt. Der Overall zitiert Workwear vom Bauernhof; die Krähen- bzw. Hahnstickerei ist Handarbeit. Die Kollektion heißt „Hessence Heritage“.

Foto: Tanja Tremel

Und hier sehe ich schon das dritte neue Motiv! Du magst tatsächlich mit der Allegorie in deiner Kleidung sprechen. Was symbolisieren diese Jacken?

Skandinavischen Winter, das ist aus der Kollektion „Vargawinter“ Die Spiralen stehen für Schneesturm und Kälte. Basis gehäkelt, jede Spirale einzeln gearbeitet, gehärtet und anschließend appliziert.

(Raffle Jacket und Snowball Bag erinnern an den nördlichen Schneesturm). Foto: Tanja Tremel, 2025)

Wie geht’s weiter?

Ich möchte in der Berliner Modeszene weiter Fuß fassen und mich als Stimme für Nachhaltigkeit und Slow Fashion positionieren. Ich habe im Berliner Salon dieses Jahr ausgestellt, gehe aber als Slow-Fashion-Label bewusst langsamer vor.


Für mich ist „Slow Fashion“ die Gegenbewegung zu „Fast Fashion“: bedachter, langsamer, in Handarbeit, mit Nachhaltigkeit als zentralem Aspekt.

Marie louise müller

Ich bin Jana, die Gründerin und Designerin von Impari, einer innovativen nachhaltigen Modemarke mit Fokus auf Community und Bildung. Wir arbeiten mit jungen Entrepreneuren in Ghana zusammen und lehren Nachhaltigkeit, kreative Identitätsfindung sowie Businessaufbau. 

Jana Heinemann

Was unterscheidet euch in puncto Nachhaltigkeit von anderen Brands?

Für uns heißt Nachhaltigkeit nicht nur Materialbewusstsein, sondern auch Rückgabe. 

Wir fragen: Welchen Impact erzeugen wir, welche Bildung geben wir weiter? Ziel ist ein zirkuläres Produktionssystem, in dem Kleidung und jede Art von Materialien weiterverwertbar bleibt.

jana HEINEMANN

Unsere Kleidung wird in Berlin produziert, Atelier und Store liegen in der Torstraße, aber wir kollaborieren mit einem Ingenieur in Ghana, der für uns spezielle Recyclingmaschinen herstellt. 

Alles besteht aus recyceltem PET, und das Ziel ist, künftig alle Arten von Plastik zu verarbeiten, wobei jeder Verschnitt als Detail oder als ganzes neues Stück weiterverwendet wird, etwa für Taschen oder Kleider. Kein Rest bleibt ungenutzt. Aus diesem rePET entstehen bei uns Stoffe in Seide-, Mesh- oder Jeansstruktur — bis hin zu wasserfesten Textilien.

Waste, Klimawandel und Umweltschutz sind Hauptinspirationen. Die aktuelle Kollektion heißt „Ninchim“. In der Sprache Twi, die in Ghana gesprochen wird, steht es für „Circle of Transformation“. Ich fotografierte durch den Klimawandel veränderte Oberflächen und bearbeitete sie digital weiter.

Ebenso zentral ist Bildung: Junge Kreative verbinden, Ingenieurwesen, Mode und Wissen vereinen – statt Konkurrenz gemeinsames Wachsen.

Wie funktioniert das konkret?

Gemeinsam mit Freunden haben wir in Takoradi einen Social-Entrepreneur-Hub gegründet, mit Departments für Fashion und Media. Ich leite das Fashion-Department. Teilnehmende arbeiten praxisnah, etwa an Sets oder Projekten, und lernen im nachhaltigen Kontext Unternehmertum.

Ich wurde 2018 zur Ghana (Accra) Fashion Week eingeladen; seitdem lebe ich teils in Ghana (Accra), teils in Berlin. Unsere Länder lernen voneinander, nicht nur voneinander übernehmen.

Was lernt man von Ghana?

Vor allem Handarbeit, Materialherstellung, Kreativität. Viele Designer dort arbeiten mit minimalen Mitteln, sind aber enorm innovativ. Wir organisieren Events wie den Makers Market mit dem Goethe-Institut, wo junge Kreative verkaufen und Panels halten.

Upcycling scheint wichtig zu sein.

Absolut. Die Kantamanto Upcyclists sind eine inspirierende Community, die aus Secondhand-Materialien neue Mode schafft. Wir sind ein Freundeskreis, der die Initiative gegründet hat. Mittlerweile sind wir mit Lehrenden und Künstler:innen gewachsen. Gemeinsam verbinden wir afrikanisch-europäische Perspektiven.

STELLA OWUZU «IN JEWELS»

Ich heiße Stella Owuzu, komme aus Kumasi in der Ashanti-Region in Ghana, lebe aber seit meinem zehnten Lebensjahr in Deutschland. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Ghanaer – ich trage beide Kulturen in mir.

Kumasi – also Goldregion?

„Gold fließt in meinen Adern“, sagt man bei uns. Mein Schmuck verbindet diese beiden Welten: das Organische und Erdige aus Ghana mit der klaren, minimalistischen Formensprache Deutschlands. Ich bringe Feinheit aus der Goldschmiedekunst in „Contemporary Jewelry“ ein. 

Matt und poliert, roh und fein – die Kanten sind elegant glänzend, der Körper bleibt strukturiert. Diese Kontraste schaffen Charakter: alles leicht, beweglich, aber präsent.

stella owuzu

Meist nutze ich Silber, goldplattiert oder reines Gold auf Wunsch, aber die Qualität bleibt gleich – nur der Preis variiert.

Spielt die Nachhaltigkeit bei Ihnen eine Rolle?

Definitiv! Ich nutze hochwertige Materialien, aber mit geschlossenem Goldkreislauf: Kund:innen bringen altes Gold; ich recycle es selbst. So bleibt alles im Umlauf – teils 100 %, teils 70 %. Alles entsteht in meiner Werkstatt in Deutschland. Manche Prozesse wie Steinsetzen passieren extern, aber meist handwerklich bei uns, teilweise kombiniere ich 3D-Druck mit traditioneller Fertigung, wähle je nach Stück die nachhaltigste Methode mit dem Ziel der Effizienz ohne Qualitätsverlust.

Was gibt es noch über die Brand zu erzählen?

«In Jewels» steht natürlich auch für interkulturellen Austausch: eine Brücke zwischen Ghana und Deutschland. Ich erzähle Geschichten über Design – nicht wörtlich, sondern emotional – und meine Stücke sind Energien, Bewegungen, Tanz, Stärke, Königinnenkraft, die die Träger:innen einfach spüren sollen. Viele davon sind Stammkunden, oft entsteht daraus Freundschaft. Ich sehe meine Arbeit als Love Brand: individuelle Beratung, Anpassung jedes Stücks, keine Massenware.

STELLA OWUZU «IN JEWELS»

Wie war dein Weg in die Schmuckwelt?

Ich wollte kreativ arbeiten und gleichzeitig Verbindung zu Afrika halten, und als ich den Beruf der Goldschmiedin entdeckte, war es sofort Liebe auf den ersten Blick. Aufgrund meiner Erfahrung in verschiedenen Schmuckhäusern gründete ich meine eigene Marke. Meine heutige Kollektion heißt Cocoa Seeds – inspiriert von Kakaobohnen, Sinnbild für Ursprung, Wachstum und Wertschöpfung und für Potenzial – für etwas, das aus Ghana kommt und international weiterwächst.

STELLA OWUZU «IN JEWELS»

Heißt das, dass eine Expansion nach Ghana geplant ist?

Ja, unbedingt. Ich möchte dort Arbeitsplätze schaffen – Gold wird in Ghana abgebaut, aber es gibt kaum lokale Schmuckproduktion. Mit Handwerk kann man viel bewegen, auch in kleinen Gemeinden, ohne große Infrastruktur. Erste Stücke wurden bereits in Ghana gefertigt, weitere sollen folgen

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