Feminismus gegen Klimakrise: „Was zwischen uns wächst“ im SOHO Ottakring

In einer Zeit, in der die Sprache der Klimakrise oft in Zahlen, Grenzwerten und Katastrophenbildern stecken bleibt, sucht diese Ausstellung nach einem anderen Vokabular – einem, das von Beziehungen, Care und Kooperation spricht.

Was, wenn wir die Welt nicht länger als etwas betrachten, das uns gehört, sondern als etwas, zu dem wir gehören? Diese Frage stellt die Philosophin Donna Haraway, deren Denken in den letzten Jahren weit über akademische Kreise hinaus gewirkt hat.

Haraway, ursprünglich Biologin und Feministin, fordert dazu auf, unsere Vorstellung vom Menschen radikal neu zu denken – nicht als Mittelpunkt der Welt, sondern als Teil eines komplexen, lebendigen Geflechts.

„We are compost, not posthuman.“

Donna haraway

Für sie ist das Leben kein Wettkampf, sondern ein Netzwerk aus gegenseitiger Abhängigkeit. In ihrem Konzept des Chthuluzäns beschreibt sie eine Epoche, in der Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen nicht getrennt voneinander existieren, sondern sich gegenseitig hervorbringen. Es ist eine Einladung, nicht länger in Hierarchien zu denken – oben der Mensch, darunter alles andere –, sondern in Beziehungen, in Verwandtschaften.

Haraway nennt das „making kin“ – Verwandtschaft schaffen. Nicht nur mit denen, die uns biologisch nah sind, sondern mit all jenen, mit denen wir das Leben teilen: mit Bakterien, Hunden, Bäumen, Maschinen. Diese Idee klingt zunächst poetisch, fast esoterisch.

„Make kin, not babies.“

Donna haraway

Doch sie ist tief politisch. Denn wenn wir uns als Teil eines gemeinsamen Netzes begreifen, verändert das auch, wie wir handeln – in der Ökologie, in der Politik, in der Kunst.

Die Ausstellung „WAS ZWISCHEN UNS WÄCHST“ in den SOHO STUDIOS in Wien-Ottakring knüpft an genau dieses Denken an. Sie bringt Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen zusammen, die den ökologischen Wandel nicht nur als technische Herausforderung begreifen, sondern als soziale, kulturelle und emotionale Aufgabe.

Hier geht es nicht um neue Maschinen, sondern um neue Beziehungen. Um Symbiosen, um Fürsorge, um gemeinsame Verantwortung. Die Arbeiten der teilnehmenden Künstler:innen – von den organischen Skulpturen von Monica C. LoCascio über die myzelartigen Collagen von Lena Rosa Händle bis hin zu den dekolonialen Erinnerungsräumen von claudia sandoval romero* – zeigen, dass etwas anderes wachsen kann, wenn wir aufhören, uns als getrennt zu begreifen.

Vielleicht, so könnte man mit Haraway sagen, beginnt Zukunft dort, wo wir uns endlich eingestehen, dass wir nie allein waren.


Ausstellung „WAS ZWISCHEN UNS WÄCHST“

SOHO in Ottakring | Liebknechtgasse 32, 1160 Wien
4.12.2025 – 22.1.2026 (Mi–So, 15–20 Uhr)
Vernissage: 4.12., 19 Uhr

soho studios
Illustration: Lena Rosa Händle / Soho Studios

Das Kurator:innenteam – Ula Schneider, Marie-Christine Hartig (auch Festivalleiterin des International Documentary Film Festival Vienna) und Hansel Sato – versteht Klimagerechtigkeit nicht als technisches Ziel, sondern als kulturelle Aufgabe: Wie können wir leben, ohne zu trennen? Wie entsteht Gemeinschaft, wenn wir Fürsorge nicht nur füreinander, sondern auch für die Erde empfinden?

Diese Fragen ziehen sich wie Myzelien durch die Arbeiten der teilnehmenden Künstler:innen.

Das Kollektiv AMO (Aki Namba, Mary Maggic, Oi Pui Hoang) eröffnet mit dem Film „Cosmic Forest, Cosmic Home“ eine poetische Bewegung zwischen Körper, Land und Zugehörigkeit – verwoben mit Traditionen des Shinto und Animismus, die inmitten kapitalistischer Entfremdung leise Widerworte formulieren.

Kollektiv AMO 

Lena Rosa Händle schaut in ihren Collagen auf Pilze, Flechten und Mikroorganismen als Modelle für ein Zusammenleben jenseits des Wettbewerbs. Ihre Arbeiten sind leise Utopien, in denen Kooperation nicht romantisch, sondern überlebensnotwendig ist.

Monica C. LoCascio wiederum lässt Fermentation zur Metapher werden: Ihre organischen Skulpturen erzählen von Machtverhältnissen und der fragilen Hierarchie zwischen Mensch und Mikroorganismus – eine Einladung, den Begriff von Arbeit und Leben radikal zu entanthropozentrieren.

Die dekoloniale Perspektive von claudia sandoval romero* bringt Erinnerung und Widerstand zusammen: In ihrer Installation „LebensverteidigerInnen aus Abya Yala“ entsteht ein kollektives Archiv indigener Frauenkämpfe, das im Wiener Stadtraum Wurzeln schlägt – konkret, in den Hochbeeten der SOHO STUDIOS, wo Mais, Bohnen und Kürbis als „Milpa“ wachsen. Abya Yala ist die Selbstbezeichnung indigener Bevölkerungsgruppen für Amerika, das so etwas wie „reifes Land“ bedeutet.

Das Projekt Science Meets Art zeigt, wie wissenschaftliche und künstlerische Forschung sich ergänzen können, wenn sie gemeinsam feministische und ökologische Perspektiven auf Gerechtigkeit entwerfen – jenseits der Idee, dass Technik allein die Welt retten wird.

Abonniere unseren EntreNousLetter und bleibe am neuesten Stand. Verpasse keine Updates über Mode, Kunst, Beauty & Lifestyle!

Scroll to top
Close
×